»Dabei zieht Weißbrodt seinen kurzen Abriss der Geschichte eben nicht als Zukunftsutopie auf, sondern schreibt ein rückblickendes Geschichtsbuch aus der Perspektive des Jahres 2050.«

Mein Grundeinkommen

 

»Wie ein Sachbuch geschrieben, wie eine historische Abhandlung. Aber es könnte ja so werden, wie er es beschreibt! Ich bitte drum!«

scifinet.org

 

»Daniel Weißbrodt zeigt auf, dass die Einführung des Grundeinkommens kein Zufall, sondern notwendige Folge einer sich verändernden Gesellschaft war.«

Bündnis Grundeinkommen

 

»Eine umfassende Reflexion von Möglichkeiten, was ein bedingungsloses Grundeinkommen mit einer Gesellschaft machen könnte, voll von genauen Beobachtungen, klugen Vorschlägen und faszinierenden sprachlichen und inhaltlichen Wendungen.«

grundeinkommen-attac

 

»Daniel Weißbrodt stellt klar, wieso es dringend wieder Zeit für eine Utopie ist. Unterhaltsam und mit feinem Humor. Es entsteht ein leichtes, hoffnungsvolles Gefühl – nicht gerade wenig in einer Zeit der Dystopien.«

Leipzig lauscht

 

»Mancher Leser wird nach dieser Lektüre zugeben, wirtschaftliche Zusammenhänge zum ersten Mal verstanden zu haben.«

Denkfabrik Grundeinkommen/Neue Debatte

 

»Eine Utopie in Naherwartung, mit journalistischer Schreibe und über den hoffnungsstiftenden Kniff hinaus eine feine Science-Fiction-Geschichte.«

:logbuch. kreuzer-Beilage zur Leipziger Buchmesse 2019

 

»So komprimiert hat das noch keiner geschrieben. Und es stimmt. Was Weißbrodt vorlegt, ist eine Vision. Und zwar eine machbare. Eine, die unser Denken über Wirtschaft und Staat verändert.«

Leipziger Internet Zeitung

Mein Grundeinkommen

Während wir uns bei Mein Grundeinkommen jeden Tag aufs Neue fragen, ob man das
Grundeinkommen für alle einführen sollte, dreht Daniel Weißbrodts Utopie den Spieß einfach um. In seiner fiktionalen Gesellschaft gibt es das Grundeinkommen einfach schon. Im »wunderbaren Jahr der Freiheit« 2032 wurde es eingeführt. Mehr Spoiler kommen nicht von mir, keine Sorge.
Dabei zieht Weißbrodt seinen »kurzen Abriss der Geschichte« eben nicht als Zukunftsutopie auf, sondern schreibt ein rückblickendes Geschichtsbuch aus der Perspektive des Jahres 2050. Dieser Dreh ermöglicht ihm, mit der Detailverliebtheit eines Historikers die verschlungenen politischen Pfade der Grundeinkommensidee bis zu ihrer Einführung aufzuzeigen. Das ist nur selten ein bisschen zu detailliert geraten, aber immer extrem aufschlussreich.
Und gerade in diesen Tagen lohnt sich die Lektüre besonders: Manche Wendung in diesem Buch kommt einem momentan sehr, sehr bekannt vor. Ich lese es an Ostern wohl nochmal.
 
Zehn ganz persönliche Lesetipps für Ostern. Ein Blick in die Bücherregale unseres Teams

scifinet.org

Alles könnte gut werden!

Daniel Weißbrodt las im Literaturhaus Halle, 11.09.2019
Sein Buch heißt: »Kurzer Abriss der deutschen Geschichte 2022-2050. Wie das bedingungslose Grundeinkommen unser Leben und unsere Gesellschaft verändert hat« und erschien 2018 im Engelsdorfer Verlag, Leipzig. Der Titel sagt ja schon fast alles.
Doch was ist das eigentlich für ein Buch? Ein Roman, oder ein Sachbuch? Da der Autor sich nicht als Prophet und im Besitz einer zukunftsschauenden Glaskugel wähnt, ist es fiction. An anderer Stelle, so führte er eingangs aus, wurde das Buch als »Sachbuch« einsortiert. Das muss nicht unbedingt zum Nachteil für den Autor sein, aber ist es richtig? Nun, nachdem er einige Passagen zu Gehör brachte, kann ich sagen, dass »Roman« im Grunde auch falsch wäre. Es ist wie ein Sachbuch geschrieben, wie eine historische Abhandlung. Es besitzt, so weit ich das nach den gehörten Passagen einschätzen kann, keine originäre Romanhandlung. Aber natürlich ist es reinweg erfunden, Science Fiction. Leider, möchte ich hinzufügen, oder vielleicht: noch? Aber es könnte ja so werden, wie er es beschreibt! Ich bitte drum!
Der Start in die utopische Gesellschaft vollzieht sich über die Dystopie. Auch: leider. Soziale Verhältnisse, wie sie sich aber heute bereits abzeichnen, spitzen sich zu. Dummerweise ist im dystopischen Teil auch ein Vorfall in einem französischen Atomkraftwerk dabei – das wirkte in mir gerade besonders nach, da ich die TV-Serie »Chernobyl« sah.
Nun, wer weiß, was das bewirken wird. Auf jeden Fall unterstellt der Autor den Verantwortlichen und Regierenden, dass sie aus den Fehlern lernen. Und deshalb lässt er die bundesdeutsche Regierung, voran den amtierenden Bundeskanzler, einen CDU-Mann, zum Schluss kommen, dass es keinen anderen Ausweg mehr gibt, um der sozialen Zuspitzung in der Gesellschaft zu entgegnen, um das Fass nicht zum Überlaufen zu bringen. Es kommt zur Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Dass es ausgerechnet ein CDU-Mann ist, erscheint vielleicht nur auf den ersten Blick unrealistisch. Der Autor verwies auf die Bismarckschen Sozialgesetze nach 1871, die die Lage der Bevölkerung stark verbesserten. Na, und Bismarck war sicher auch kein Sozi…
Der Autor hat sich mit der Problematik sehr intensiv beschäftigt. Er kann wohl für sich in Anspruch nehmen, als Spezialist auf diesem Gebiet zu gelten. So wird er auch von interessierten Politikern behandelt. So spricht er auch – sehr eloquent, sehr engagiert. Ihm liegt was dran, an der Idee, das ist mehr für ihn als bloße Fiktion. Er hatte auch Antworten auf die vom Moderator und dem Publikum gestellten Fragen, nach dem Lebenssinn, nach dem Primat von Sozialfragen und Umwelt- u. Klimaschutz, nach der Finanzierbarkeit des Ganzen, nachdem was von der Haltung der Gewerkschaften dazu zu halten ist.
Die gelesenen Kapitel illustrieren sehr eindrucksvoll, was das BGE mit uns machen kann – zunächst, unmittelbar (durchaus anarchistische, chaotische Zustände), und in naher Perspektive (was Entschleunigung so z.B. alles bewirkt – es wird utopisch!).
Auch wenn finanzpolitische und wirtschaftliche Fragen an so einem eigentlich literarischen Abend deplatziert und langweilig wirken könnten, scheute er nicht, mit viel Elan an solche Fragen heranzugehen. Ist ja auch wichtig dabei, sonst bleibt die Idee ein Wolkenkuckucksheim.
Er benannte auch eine Schwachstelle seines Konzepts, die ihm von anderen Kritikern auch schon vorgeworfen wurde: Er knüpft unmittelbar am Hier&Jetzt an, d.h., er geht gar nicht auf die sich gerade abzeichnenden technologischen Veränderungen in der Arbeitswelt ein. Sein BGE-Konzept fußt auf dem Stand der Dinge, den wir gerade jetzt haben. Dabei – aus meiner bescheidenen Sicht – ist es ja gerade die technologische Revolution, in der wir uns gerade befinden, die es unumgänglich macht, sich darüber Gedanken zu machen, wie das Leben der Menschen in unserer von direkter produktiven Arbeit befreiten Welt gestaltet werden muss, ohne einen Kollaps zu riskieren.
Ein gelungener Abend – und aus meiner persönlichen Sicht lange überfällig. Das erste Mal wollte ich zur Leipziger Buchmesse, hatte es aber dann doch versäumt, das zweite Mal sollte er im Burggraben in Halle im Hochsommer lesen, aber die Hitze machte dem einen Strich durch die Rechnung. Das war also (mein) dritter Anlauf – und der war richtig gut.

 

Thomas Hofmann am 16. September 2019 auf scifinet.org

Bündnis Grundeinkommen

Vom fiktiven Jahr 2050 aus blickt Daniel Weißbrodt zurück in die vergangenen Jahrzehnte. Er schaut auf die Unruhen der 2020er Jahre, den daraus resultierenden politischen Umbruch und zeigt auf, dass die Einführung des Grundeinkommens kein Zufall, sondern notwendige Folge einer sich verändernden Gesellschaft war.

Er begleitet rückblickend die Veränderungen in vielen Lebensbereichen anhand ausgiebiger Quellenstudien und wagt einen Ausblick in eine postkapitalistische Zeit nach 2050.

Unvergessen bleiben die Bilder des geborstenen Reaktors von Flamanville, als am späten Nachmittag des 25.März 2024 die Wolken mit ihrer radioaktiven Fracht nach Osten zogen und ein Großteil des Niederschlags wie von Meteorologen exakt vorhergesagt über der Schweiz niederging. Fünfhunderttausend Menschen, die überstürzt das Land verlassen hatten, konnten nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren, wurden nach Frankreich, Deutschland, Österreich umgesiedelt, erlebten Solidarität und Ablehnung.

Eine Kette von weiteren Ereignissen bestimmte die 2020er Jahre und führte zu Unruhen:

Durch die Maispest in Nordamerika wurden Lebensmittel weltweit knapp, teuer und lösten Fluchtbewegungen aus.

Der Tod der Berliner Kunststudentin Anastasia Niemann und staatliches Versagen bei den Ermittlungen der Hintergründe, Immobilienkrise, Bankrettung, schließlich die Räumung des Protestcamps und die Herbstdemonstrationen führten zum politischen Umbruch, beginnend mit dem Wahljahr 2029.

Aufgrund der Machtverschiebung und neuer politischer Verhältnisse wurde eine Kommission zur Machbarkeitsprüfung der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens eingesetzt. Deren Arbeit mündet schließlich in der Einführung zum 1. Januar 2032 verbunden mit einer großen Steuerreform.

Doch damit endet das Buch nicht! In der zweiten Hälfte analysiert Daniel Weißbrodt anhand einer ausführlichen Quellenauswahl die weitere Entwicklung der Grundeinkommensgesellschaft. Mit einer Fülle von konkreten Beispielen zeigt er auf, wie das Handwerk eine neue Gründerzeit hervorbringt und die Industrie sich unter den neuen Rahmenbedingungen anders als bisher, aber doch positiv entwickelt. Dabei erwähnt er Widerstände verschiedenster Interessenverbände, die die ersten Veränderungen kritisch begleiten.

Gegenüber der Forderung nach kürzeren Ausbildungszeiten finden neue Bildungsansätze Einzug: »Man kann ebenso wenig schneller lernen wie man auch nicht schneller schlafen kann.«

Einflüsse einer Grundeinkommensgesellschaft auf Umwelt, Landwirtschaft, Städte, Verkehr, Energie, Kriminalität und Sicherheit werden durchgespielt.

Als Leser kann man schon mal vergessen, dass diese so konkret und anschaulich beschriebenen und wissenschaftlich untermauerten Ereignisse Fiktion sind.

Der besondere Reiz bei der Lektüre dieses Buches war der Blickwechsel. Nicht dieses »Was wäre wenn…« sondern dieses »Wie war das damals in den wilden 20er- und 30er-Jahren.«

 

Bernhard Meisel am 28. Mai 2019 in Bündnis Grundeinkommen

 

grundeinkommen-attac

Es liegt nahe, dass der Historiker Daniel Weißbrodt seinen Text über die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland im Jahr 2032 als historischen Roman anlegt, geschrieben im Jahr 2051. Wer den Text so lesen würde, würde enttäuscht werden. Was Weißbrodt vorlegt, ist eine umfassende Reflexion von Möglichkeiten, was ein bedingungsloses Grundeinkommen mit einer Gesellschaft machen könnte. Der formale Rahmen des historischen Rückblicks ermöglicht es ihm dabei, immer mal wieder auch von seinen eigenen Visionen, Hoffnungen, Erwartungen beiseite zu treten, sie neu zu reflektieren, ein wenig zu verändern. Dazu erzählt er die Geschichte so, als seien politische Debatten in unserer Zukunft, also der Vergangenheit des Romans, erfolgt, die diese Neujustierung erzwungen hätten.
 
Dabei ist die politische Landschaft der Zukunft exakt die unserer heutigen Gegenwart. Bei der Bundestagswahl 2037 wurde die CDU/CSU »mit vierzig Prozent erneut stärkste Kraft im Land. Die Sozialdemokraten landeten bei zwanzig, (!) und FDP, Grüne sowie Linke jeweils bei etwas mehr als zehn Prozent.« (S. 231) Eine rechtsradikale Partei (Union nationaler Freiheit und Gerechtigkeit) scheitert erstmals an der Fünfprozenthürde und CDU und FDP setzen ihre Regierung fort. 2041 gewinnen die Sozialdemokraten und koalieren mit den Grünen, was sich 2045 und 49 wiederholt. Das ist offenkundig keine Zukunftsvision, sondern der Rahmen, der deutlich macht, dass Weißbrodt im Hier und Jetzt argumentiert.
 
Deshalb gilt es für die Leser*in, den Gedankengängen nachzuspüren, aus denen der Autor Veränderungen entstehen lässt, und nicht konkrete Elemente seiner Zukunftserzählung wörtlich zu nehmen. Dabei käme manchmal allzu Skurriles heraus, etwa wenn die Höhe des BGE bei der Einführung im Jahr 2032 mit 1000 Euro als ausreichend für ein akzeptables Leben angenommen wird und die Bruttogesamtkosten somit bei 960 Milliarden Euro liegen (S. 118ff), oder wenn die Einstellung der Kohleverstromung »in den späten Vierzigern« (S. 256) als Erfolg gefeiert wird. Auch gelegentliche sachliche Ungereimtheiten bei ökonomischen oder juristischen Details ließen sich finden ebenso wie inhaltliche Inkonsequenzen. Vor allem wird das Grundeinkommen bei Weißbrodt allein in Deutschland eingeführt. Die EU verhindert das nicht, ist gar nicht präsent in dem Vorgang. Ökonomische Verflechtungen durch die Globalisierung machen keine Schwierigkeiten und die Digitalisierung der Wirtschaft hat keine Fortschritte gemacht. 3-D-Drucker oder Künstliche Intelligenz existieren nicht und auch die Nato taucht erst ganz spät und ziemlich handlungsunfähig auf.
 
Diese Dinge sind für das Anliegen und die Plausibilität des Romans belanglos, denn er will die Phantasien freilegen, die der Gedanke an ein materiell abgesichertes Leben hier und heute schon auslöst, auch ohne dass ein solches Leben Realität wäre. Außerdem wäre es erstaunlich, wenn bei all den vielen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens, die der Autor in Beziehung zu einem Grundeinkommen setzt, nicht die eine oder andere Ungenauigkeit auftreten würde. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er sich deren teilweise selbst völlig bewusst ist, sie sogar absichtlich eingebaut hat, weil er Mut machen will, Mut zum eigene Denken, das immer auch mit dem Widersprechen beginnt. Und wenn ich, wenn du, wenn Sie mit dem Widersprechen anfangen, dann wissen wir manches besser und manches glauben wir auch nur besser zu wissen. Das, so lese ich Weißbrodts Buch, sollte uns nicht davon abhalten, trotzdem weiter zu denken und uns nicht von denen einschüchtern zu lassen, die mehr Details kennen als wir.
 
Und selbstverständlich ist das Buch auch voll von genauen Beobachtungen, klugen Vorschlägen und faszinierenden sprachlichen und inhaltlichen Wendungen. Die immer wieder rassistischen, sexistischen oder anderen Müll verbreitenden Abgeordneten der Union Nationaler Freiheit und Gerechtigkeit etwa kennen wir genau, die dann, wenn »die Empörung groß« ist und sie »sich heftiger Kritik ausgesetzt« sehen, mitteilen, ihr »Tweet sei von politischen Gegnern absichtlich missverstanden, aus dem Zusammenhang gerissen und böswillig fehlinterpretiert worden« (u. a. S. 142). Ebenso teilen wir die Annahme, dass »die Bereitschaft der Deutschen, Steuern zu zahlen«, deutlich steigen würde, wenn »alle Einkommen, egal ob aus selbständiger (!) oder aus Erwerbsarbeit, aus Kapitaleinkommen, Beteiligungen oder Vermietungen, Renten oder sonstigen Quellen...gleich besteuert« (S. 151) würden. Und der Vorschlag, dass ein Mindesteinkommen die Marge von einem Drittel des BIP (er nennt das anders) pro Kopf nicht unterschreiten und die hohen Einkommen das Doppelte des BIP nicht deutlich übersteigen sollten, also ein Verhältnis von 1:6 anzustreben sei, könnte manche Finanzierungsdebatte überflüssig machen, auch wenn einige diese Spreizung vielleicht als zu ehrgeizig empfinden würden.
 
Das wird sicherlich auch für andere Überlegungen des Romans gelten. Ob tatsächlich ein BGE dazu führen würde, dass sich der Trend der Urbanisierung umdreht und Menschen wieder verstärkt aufs Land ziehen, mag man ebenso bezweifeln wie dass freie Schulen der Schlüssel für eine sinnvolle Bildung sind. In diesem Sinne hat das Buch dieselbe Funktion wie sie auch ein bedingungsloses Grundeinkommen selbst haben würde: Es stellt Möglichkeiten vor, keine zwangsläufigen Entwicklungen. Ob diese Möglichkeiten eintreten, hängt davon ab, ob die Menschen sie nutzen werden.
 
Zweifellos ist aber der Schlussfolgerung zuzustimmen, dass viele »Ängste und Befürchtungen grundlos« sind und »dass Schwarze und Frauen, Schwule und Lesben, Arbeiter und Arme selbstverständlich in der Lage« sind, »im gleichen Maße veranwortungsbewusst und konstruktiv mit ihrer gewachsenen Freiheit umzugehen wie Weiße und Männer, Heterosexuelle und Wohlhabende. Die Ausweitung von Menschenrechten hatte nie zu Chaos und Niedergang geführt, sondern ganz im Gegenteil in jedem Fall und immer wieder zu einer Entschärfung von sozialen Spannungen und gesellschaftlichen Konflikten, zu einem friedfertigeren Miteinander und wirtschaftlicher Prosperität.« (S. 270)
 
Wenn das Buch dazu beiträgt, den Einsatz und das Engagement seiner Leser*innen für diese Ausweitung der Menschenrechte zu fördern, dann hat es eine Wirkung, auch schon lange bevor ein bedingungsloses Grundeinkommen wirklich eingeführt worden ist.
 
Werner Rätz am 20. April 2019 in grundeinkommen-attac

Leipzig lauscht

Was Kakerlaken, Wanderratten und Menschen gemeinsam haben

Daniel Weißbrodt […] stellt klar, wieso es dringend wieder Zeit für eine Utopie ist. […]

Das Buch mit dem etwas umständlichen Namen »Kurzer Abriss der deutschen Geschichte 2022-2050. Wie das bedingungslose Grundeinkommen unser Leben und unsere Gesellschaft verändert hat« ist ein utopischer Roman, geschrieben wie eine geschichtliche Abhandlung und gespickt mit fiktiven Fußnoten aus der Zukunft sowie Interviews und Zitaten. Politiker und Parteien, die es (noch) nicht gibt, gestalten das politische Geschehen. Dabei bleibt das Buch unterhaltsam und überzeugt mit einem feinen Humor. So heißt die rechtspopulistische Partei in seinem Roman »Union nationaler Freiheit und Gerechtigkeit« – kurz: »UnFuG«. In Weißbrodts Utopie wird im Jahr 2032 das bedingungslose Grundeinkommen in Deutschland eingeführt – interessanterweise von der CDU. Der Autor erläutert, dass er das sonst sehr theoretische Thema möglichst spannend darstellen und dennoch ein konkretes Bild entwerfen wollte. Sein Buch, welches u.a. als »Science-Fiction« eingestuft wurde, sieht er eher als eine »Verlängerung der Gegenwart in die Zukunft«. Ständig würden Dystopien geschrieben, Utopien allerdings gebe es kaum noch. Sein Roman sei daher ein Versuch, das Gleichgewicht zwischen Dystopien und Utopien wiederherzustellen. Jedoch mit einer Besonderheit: Im Gegensatz zu den meisten anderen utopischen Romanen käme sein Werk ohne den »Keim der Diktatur« aus. Ein schöner Gedanke. […]

Ob Weißbrodts Utopie das Potential zur Wirklichkeit besitzt, bleibt offen. Und dennoch entsteht ein leichtes, hoffnungsvolles Gefühl – nicht gerade wenig in einer Zeit der Dystopien.

Die Deutsche Nationalbibliothek ordnete den Roman übrigens unter »Prognose« ein – das macht Mut.

 

Zarah Sorger am 24. März 2019 in Leipzig lauscht

Denkfabrik Grundeinkommen & Neue Debatte

Zurück in die Zukunft des Grundeinkommens

Es gibt ein neues Buch zum Grundeinkommen. Wahrlich keine Sensationsmeldung in einer Zeit, da Publikationen zu diesem Thema im Wochentakt erscheinen. Doch dieses Buch ist anders. Ganz anders. Es gibt sich nicht mit Finanzierungs- und Modelldebatten ab. Das Buch gibt Rückblick aus einer Zukunft, in der das Grundeinkommen alltägliche Selbstverständlichkeit ist.

Daniel Weißbrodt schrieb einen »Kurzen Abriss der deutschen Geschichte 2022-2050« mit dem Untertitel »Wie das bedingungslose Grundeinkommen unser Leben und unsere Gesellschaft verändert hat«. Das Buch gibt Antwort auf die Frage, die Harald Welzer einst berühmt machte: »Wer werde ich gewesen sein? Das hilft: Vieles von dem, was im einfachen Futur als unbequem und lästig erscheint, wird im Futur zwei plötzlich interessant und attraktiv.« Und das von Daniel Weißbrodt beschriebene Futur II hat es in sich.

 

Ein Jahrzehnt der Katastropen

Es ist eine komplexe neue Lebensrealität. Wer von dem Buch erwartet hat, mehr über das Grundeinkommen zu erfahren, wird entweder schwer enttäuscht oder schwer begeistert sein. Denn vieles scheint auf den ersten Blick gar nichts damit zu tun zu haben. Bei genauerem Hinsehen wird aber klar – und das macht den besonderen Wert dieses Buches aus – dass alles mit allem zusammenhängt, und dass die Einführung des BGE in alle Bereiche des Lebens hineinwirken wird. Gern bekennen BGE-Befürworter: »Das Grundeinkommen löst nicht all unsere Probleme«, und betrachten diese Aussage als Relativierung ihrer Euphorie und als Entgegenkommen an die Diskussionsgegner. Dieses Buch aber sagt: Mag sein, dass das BGE nicht alle Probleme der Gesellschaft löst, aber es hilft sie zu lösen. Um dies zu illustrieren, spannt Weißbrodt den Bogen vom Klimaschutz über Ökonomie und Finanzmärkte, Außen- und Sicherheitspolitik, Urbanisierung, Städtebau und Verkehr bis hin zu ökologischem Landbau und Biodiversität.

Dazu werden im ersten Drittel des Buches Szenarien entworfen, die zu einem Umdenken in der Gesellschaft führen. Die erscheinen im Ganzen etwas katastrophenlastig, vielleicht wird es aber nur von mir so empfunden, weil ich der Flut dystopischer Schriften langsam überdrüssig werde. Wie auch immer, sie sind nicht unglaubwürdig, diese Dystopien. Deren Ausgangspunkt ist das alte, zum Zeitpunkt der Handlung weitgehend überwundene, Verständnis von Wirtschaft. Sehr eingängig beschreibt Daniel Weißbrodt dieses Verständnis:

»Statt des Wohls der Menschen fordert sie [die Wirtschaftswissenschaft] das Wohlergehen der Wirtschaft. Sie ist es, die ihr als schutzbedürftig und zerbrechlich gilt, und die es zu fördern gelte, damit die schwache und lahmende Wirtschaft gesunde, dass sie sich erhole, wachse und gedeihe. Ihre Begriffe, mit der sie sie beschreibt, sind der menschlichen Sphäre entliehen, die für den Menschen hingegen der der Wirtschaft. Flexibel sollen sie sein und produktiv, effektiv und anpassungsfähig. Die Herrschaft der Ökonomie über den Menschen, sie ist die ihr selbstverständliche Grundannahme, auf der all ihre Überlegungen beruhen.«

Ergebnis dieses Verständnisses ist das, wovor immer gewarnt wurde. Das Buch beschreibt ein Jahrzehnt der Katastrophen. 2022 beginnt eine dramatische Eisschmelze in der Antarktis, 2024 kommt es zum Supergau im französischen Kernkraftwerk Flamanville. Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel führen 2025 zu globalen Ernteausfällen, verbunden mit Preisexplosionen, Hungersnöten und Flüchtlingsströmen. Ein zwischen Moldawien und Transnistrien bestehender Regionalkonflikt weitet sich 2027 zu einem Krieg aus, in den sich Rumänien und Russland hineinziehen lassen und der 20.000 Tote fordert. Die Verbreitung von Mikroplastik in den Weltmeeren führt zu gesundheitlichen Problemen, die den Fortbestand der Spezies Mensch in Frage stellen.

 

Freiheit, Chaos, Utopie

Nach all den dystopischen Bildern folgt eine schöne Utopie: Deutschland wird weltweit Vorreiter beim Umbau der Gesellschaft, beginnend mit einem Umdenken in der Ökonomie. Um dies aber gerade nicht als Utopie erscheinen zu lassen, bemüht sich der Autor vehement darum, die Szenarien glaubwürdig, weil machbar zu beschreiben, und ich könnte mir vorstellen, dass mancher Leser nach dieser Lektüre zugeben wird, wirtschaftliche Zusammenhänge zum ersten Mal verstanden zu haben. Die zunehmenden ökonomischen und ökologischen Probleme führen zu politischen Veränderungen, und ein neuer Bundeskanzler setzt 2032 die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens durch. Dies läuft natürlich nicht reibungslos ab. Dem »wunderbaren Jahr der Freiheit« folgt »Das große Chaos«, eine Revolte der Staatsdiener, ein Börsencrash und Probleme beim Umgang mit Migranten. Doch am Ende findet alles in die richtigen Gleise.

 

Der harte Schnitt

Angenehm empfand ich, dass die in der BGE-Debatte dominierende Modelldiskussion gar nicht erst aufgegriffen wurde. Weißbrodt beschreibt ein Modell, das in sechsmonatiger Arbeit von einer Regierungskommission erarbeitet wurde.

»Eine überwiegende Mehrheit der Deutschen beurteilt das neue System als gerecht und betrachtet die Vereinfachungen und die hohe Transparenz als eine große Erleichterung. Dass allein auf Konsum, Einkommen und Gewinn Steuern erhoben werden, begrüßen mehr als neunzig Prozent der Befragten. In dem wechselseitigen System aus Geben und Nehmen, in dem niemand leer ausgeht und kein Mensch mehr von Armut bedroht ist, haben die Deutschen – wer hätte das je gedacht? – ihren Frieden gemacht mit ihrem Erbfeind, mit dem Finanzamt.«

Trotz des radikalen Szenarios, das einen extrem harten Systemschnitt schildert (z.B. 90% Steuersatz), kann ich keinen prinzipiellen Denkfehler darin entdecken. Ich würde unterschreiben, dass alles tatsächlich so oder so ähnlich ablaufen könnte. Kühne Thesen, beispielsweise zur Entwicklung der Finanzmärkte mit totalem Bedeutungsverlust der Börse, rechtfertigt der Autor mit grundsätzlichen Überlegungen, die auch in der aktuellen Debatte stärker berücksichtigt werden sollten.

»Ein Unternehmen braucht keine hohen Gewinne. Es hat keine Bedürfnisse, die befriedigt werden müssen, außer denen, den laufenden Betrieb aufrecht zu erhalten und alle Kosten zu decken, die für Produktion und Investitionen nötig sind, sowie den Investoren ihre Einlagen zu vergüten.«

An dieser Stelle kann nicht auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens eingegangen werden, die in dem Buch beleuchtet werden. Wie schon eingangs gesagt, ist alles mit allem verwoben, und es ist dem Autor ein besonderes Anliegen, diese Zusammenhänge darzustellen.

 

Alltag in der Zukunft

Besondere Freude bereiten die Schilderungen des Lebensalltags unter den Bedingungen des BGE. Davon hätte ich persönlich mir mehr gewünscht.

Da ist die Büroangestellte, die sich plötzlich traut, ihrem Chef zu sagen, dass sie künftig keine wissenschaftlichen Aufsätze mehr schreiben wird, unter denen dann sein Name steht.

Da ist die Unternehmerin, die sich ihren Traum erfüllen kann, einen verschleißarmen, sparsamen Drucker zu entwickeln und zu produzieren.

Da ist der Bäckermeister, der plötzlich in die Lage versetzt wird, dem Preisdruck der Großbäckereien Paroli zu bieten.

Besonders beeindruckend wird die Entwicklung des ländlichen Raumes dargestellt. Da ist die Gemeinde Naubitz, die – gleich dem Kampf David gegen Goliath – sich der Agrarindustrie entgegenstellt, und vor Gericht durchsetzt, dass die Emissionen von Pflanzenschutz- und Düngemitteln, die auch die ökologisch bewirtschafteten Flächen kontaminieren, vermieden werden müssen. In der Folge erfährt der ökologische Landbau ungeheuren Aufschwung, viele der Grundeinkommensbezieher finden darin jetzt Sinn und Betätigung. Der bereits entvölkerte ländliche Raum blüht auf, wird wieder zu einem lebenswerten Ort.

Somit ist die zentrale Botschaft dieses Buches: Grundeinkommen ist ein Menschenrecht, und »die Ausweitung von Menschenrechten hatte nie zu Chaos und Niedergang geführt, sondern ganz im Gegenteil in jedem Fall und immer wieder zu einer Entschärfung von sozialen Spannungen und gesellschaftlichen Konflikten, zu einem friedlicheren Miteinander und wirtschaftlicher Prosperität.«

 

Die Befreiung von Existenzängsten

Dass die zentrale Frage, ob der Mensch für das erforderliche Umdenken bereit und in der Lage ist, auch Daniel Weißbrodt nur in gutem Glauben beantworten kann, versteht sich von selbst. Den in seinem Szenario stattfindenden Werte- und Bewusstseinswandel finden wir heute nur in kleinen Ansätzen paralleler Gesellschaften, »aus der kranken Logik des Imperiums herausgesprengten Gegenwelten«, wie es Konstantin Wecker und Prinz Chaos so wortgewaltig benannten. Jedoch, behielte Marx recht mit seiner Annahme, das Sein bestimme das Bewusstsein, dann bestünde sehr wohl die Chance, dass die Menschen in einem von Existenzängsten befreiten Alltag diesen Wandel vollziehen.

»Das Grundeinkommen gibt uns die Möglichkeit, wir selbst zu sein. Im Grunde brauchen Menschen nicht viel. Genügend zu essen, ein Dach über dem Kopf und eine Tätigkeit, mit der sie ihre unmittelbare Umgebung gestalten und sich ihrer Existenz immer wieder versichern können. Zusammen mit der Aussicht, auch in Zukunft darauf vertrauen zu können, all das nicht entbehren zu müssen, sind das gute Voraussetzungen für ein gelingendes, glückliches Leben.«

 

Eine zentrale Vision des Buches

Dass bei weitem nicht alle Menschen diesen Bewusstseinswandel vollziehen werden, vor allem nicht in solch kurzer Zeit, das ist auch Weißbrodt klar. Am Ende des Buches beschreibt er deshalb, wie sich die Gesellschaft in verschiedene Milieubereiche aufteilt: Ein postmodernes Milieu, das von einer »aufstiegsorientierten und hedonistischen Konsum- und Stilavantgarde« dominiert ist, ein Milieu der Moderne, in dem Realismus und Nützlichkeitsdenken im Vordergrund stehen, und ein vormodernes Milieu. Letzteres konnte sich nur unter den Bedingungen des BGE entwickeln. »In ihm finden sich die in den vielen kleinen landwirtschaftlichen Betrieben Arbeitenden, Handwerkerinnen und Handwerker aller Couleur, Künstlerinnen und Künstler, aber auch viele andere, die einem hohen Leistungsdruck und einer hohen Lebens- und Arbeitsbeschleunigung nur wenig abgewinnen können, und die sich – auf Dauer oder für eine gewisse Zeit – bewusst für eine entschleunigtere Lebensweise entschieden haben.«

Dies ist eine der wichtigsten und eindrucksvollsten Visionen des Buches, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen auf Augenhöhe begegnen können, dass keiner von ihnen stigmatisiert ist, weil er dem herrschenden Ethos nicht entspricht.

In einer solchen Gesellschaft wäre die Würde des Menschen wirklich unantastbar: weil er selbst sie sich verleiht.

 

Klaus Fürst am 10. März 2019 in der Denkfabrik Grundeinkommen und am 11. März in Neue Debatte

:logbuch. kreuzer-Beilage zur Leipziger Buchmesse 2019

Geschichte wird gemacht

Die Idee ist in aller Munde, sie wird heftig kritisiert nur ausprobiert und fantastisch ausbuchstabiert wird das bedingungslose Grundeinkommen nicht. Doch das ändert sich nun. [...] Sein »Kurzer Abriss der deutschen Geschichte 2022-2050« schildert fundiert und verständlich, wie das Land um 2030 endlich aus der Krisenzeit fand: Indem ein unkonventioneller CDU-Kanzler das Grundeinkommen durchboxte. Der Sachbuch-Fake ist eine schöne Volte gegen den Einwurf, eine Gesellschaft mit Grundeinkommen sei undenkbar. In großen Linien zeichnet Weißbrodt eine mögliche Entwicklung nach, schildert eine Utopie in Naherwartung. Weil er mit journalistischer Schreibe verfährt, ist das Buch über den hoffnungsstiftenden Kniff hinaus eine feine Science-Fiction-Geschichte. Mit Einfallsreichtum stellen sich einige Katastrophen ein, die nicht ganz so elend werden, weil der Mensch wieder beginnt, Mensch zu sein. So ganz aus pragmatischen Gründen. Man wird ja noch mal träumen dürfen.

 

Tobias Prüwer am 01. März 2019 im :logbuch. kreuzer-Beilage zur Leipziger Buchmesse 2019

Leipziger Internet Zeitung

Die packende Geschichte davon, wie sehr die Einführung des Grundeinkommens Deutschland verändern würde

[...] Daniel Weißbrodt hat sich wie kein anderer tief hineingearbeitet in die Grundkonzepte dessen, was mittlerweile immer wahrnehmbarer als Grundeinkommen diskutiert wird. [...]

[In einem] Stil, der sehr an den unnachgiebigen Ton moderner Berichterstattung wie etwa im »Spiegel« erinnert: Fakt und Ereignis reihen sich aneinander. Das, was geschehen ist, ist das, was berichtet wird.

Als Erzähler begibt er sich ins Jahr 2050 und berichtet, als wüssten es die Menschen im Jahr 2050 alle nicht mehr, wie es dazu kam, dass der CDU-Mann Vincent Albrecht 2029 zum Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl wurde und als Bundeskanzler tatsächlich daranging, das Grundeinkommen für alle einzuführen.

Dem voraus gehen in Weißbrodts Erzählung Krisen aller Art. Im Grunde das, was wir heute schon erleben in immer neuen Formen und wachsender Menge. Damit ist er nicht der einzige Autor, der die aktuelle Form unseres Wirtschaftens für die Ursache all dieser Katastrophen hält. Und er bleibt nicht bei der oberflächlichen Beschreibung, wie es unsere großen Magazine und Zeitungen heute tun, die die Zerstörung unserer Welt geradezu als Shakespearsche Tragödie beschreiben, als wäre das alles natur- oder gottgegeben und wir schauten als Publikum nur zu und könnten nichts dran ändern. [...]

Er zitiert Zeitschriften, Zeitungen und Bücher, die noch gar nicht erschienen sind. Aber die Zitate frappieren, weil sie sehr realistisch wirken. Man ist regelrecht geneigt nachzuschauen, ob er nicht sogar direkt aus heute schon erschienenen Büchern der neuen Ökonomie zitiert. Aber augenscheinlich hat er die beiden Schreibaufenthalte im Künstlerdorf Schöppingen tatsächlich dazu genutzt, seinen Text so zu feilen, bis er tatsächlich wie der Text eines echten Geschichts(lehr)buches wirkte mit Zitaten, die regelrecht dazu animieren nachzulesen, was die Zitierten sonst noch so gesagt haben. [...]

 

Zeit für Zitate:

»Die neoklassische Wirtschaftswissenschaft ist die wohl einzige Wissenschaft, die an ihren Grundannahmen, selbst wenn sie sich als falsch herausgestellt haben, unbeirrt festhält«, zitiert Weißbrodt die von ihm erfundene Wirtschaftswissenschaftlerin Johanna Hohenberg. Und weiter: »Der Homo oeconomicus sucht stets seinen Vorteil, er bezieht allein nüchterne Berechnungen in seine Überlegungen ein, er wägt alle Vor- und Nachteile kühl ab, ist immer vollständig informiert und handelt unter allen Umständen rational. Der Homo oeconomicus kennt keine Emotionen, keine Zuneigung und kein Mitgefühl. Großzügigkeit, Verpflichtungen und soziale Bindungen sind ihm fremd. Seine Bedürfnisse beschränken sich auf materiellen Besitz, und was man nicht kaufen kann, existiert nicht für ihn. Bildung und persönliche Entwicklung spielen für ihn keine Rolle, ebenso wenig wie Kultur oder die Frage nach dem Sinn seiner Existenz. Der Homo oeconomicus kennt keine Schwächen, keine Fehler, keine Reue und keine Scham. Er ist missgünstig, misstrauisch und bereit, jedes Verbrechen zu begehen, wenn das Risiko erwischt zu werden, nur gering ist und der Gewinn hoch genug. Er würde seine Großmutter verkaufen, wenn es einen Käufer für sie gäbe. Aus dem worst-case-Modell wird das Standardmodell menschlichen Verhaltens im ökonomischen Kontext.« So komprimiert hat das noch keiner geschrieben. Und es stimmt. […]

An anderer Stelle lässt Weißbrodt seine erfundenen Wissenschaftler unseren heutigen Glauben an das BIP auseinandernehmen, dessen Rolle ja aufs Engste mit dem Wachstumsmantra etwa von Angela Merkel zusammenhängt – und damit mit dem in allen westlichen Staaten zu beobachtenden Auseinanderdriften von Arm und Reich. […]

 

Wer aber setzt so ein Projekt um?

Wer sich also auf die deutsche Geschichte der Jahre 2022 bis 2050 einlässt, bekommt ordentliches wissenschaftliches Rüstzeug mit, so pointiert eingeführt, dass der Leser auch versteht, was die Einführung eines Grundeinkommens in Deutschland im Jahr 2032 tatsächlich bewirkt und bedeutet. Dass Weißbrodt dafür ausgerechnet einen besonnenen CDU-Bürgermeister als Akteur nimmt, ist natürlich ein besonderer Spaß an der Geschichte.

Aber Albrechts Wahl geht ja im Buch eine lange Reihe von Krisen voraus, in denen sich all die rabiaten Instrumente, die heutige Konservative bevorzugen, wenn sie »Ordnung und Sicherheit« durchsetzen wollen, als fatal und unwirksam erwiesen haben. [...]

 

Die panische Angst in unserer heutigen Welt

Und hier endet das Buch nicht. Im Gegenteil: Hier geht es erst richtig los, denn ab hier schildert Weißbrodt, wie das Grundeinkommen eine ganze Gesellschaft verändert. [...]

Man merkt schnell, wie sehr alle unsere heutigen Probleme mit dem falschen Denken einer gnadenlos neoliberalen Wirtschaftsdenkweise zu tun haben, wie menschliche Arbeitskraft geplündert wird und Menschen regelrecht zermahlen werden, stets mit der Angst im Nacken, dass sie ganz nach unten abstürzen, wenn sie diese zerstörerischen Jobs nicht annehmen.

Sehr anschaulich schildert Weißbrodt, was höchstwahrscheinlich passieren wird, wenn ein Land wie Deutschland sein Steuermodell und sein Sozialsystem radikal entschlackt und vereinfacht, all die misstrauischen Bürokratien abbaut, die ganzen komplizierten Steuergesetze so einfach macht, dass Steuerbetrug fast unmöglich ist, und das verfügbare Geld einfach allen Menschen monatlich zur Verfügung stellt. Bedingungslos. [...]

Das Verblüffende in Weißbrodts Geschichte ist, dass er bildhaft erzählen kann, was alles an diesem alten falschen Denken vom »ewigen Wachstum« hängt, wie viele unserer heutigen Katastrophen nicht bewältigt werden können, weil die brachiale Wucht dieses Denkens es verhindert. [...]

Deshalb kann man nur empfehlen: Lesen. Lesen und verstehen, welche Logik Weißbrodts Zukunftsvision antreibt – und warum dieses Buch von möglichst vielen gelesen werden sollte. Denn es schildert die Funktionsweise des Grundeinkommens so anschaulich wie bislang noch kein Buch zum Thema. [...]

Was Weißbrodt vorlegt, ist eine Vision. Und zwar eine machbare. Eine, die unser Denken über Wirtschaft und Staat verändert. Und verändern muss. Denn das, was wir derzeit als blinden Wachstumsglauben haben, führt ganz eindeutig in eine Katastrophe.

 

Ralf Julke am 20. Januar 2019 in der Leipziger Internet Zeitung

 

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© Daniel Weißbrodt